Prof. Dr. Bernd Böhmer, 20. Februar 2019


Bericht über die zweite Veranstaltung der „Pecher Winterakademie“ am Mittwoch, den 20. Februar 2019 um 19.30 Uhr in der Evangelischen Gnadenkirche, Pech, Am Langenacker: Vortrag von Professor Dr. Bernd Böhmer über das Thema „Pflanzenschutz und nachhaltige Pflanzenproduktion – ein Spannungsfeld“ mit anschließender Diskussion

Die zweite Veranstaltung der Pecher Winterakademie 2019 am Mittwoch, den 20. Februar war dem brisanten Thema „Pflanzenschutz und nachhaltige Pflanzenproduktion – ein Spannungsfeld“ gewidmet. Die Weltbevölkerung wächst – und mit ihr auch der globale Nahrungsmittelbedarf. Ohne Pflanzenschutz ist diese Herausforderung nicht zu bewältigen. Aber wie können wir Pflanzen schützen, ohne die Natur und die menschliche Gesundheit zu gefährden? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Glyphosateinsatz und Insektensterben? Hätte eine rein ökologische Landwirtschaft im Weltmaßstab einen unverantwortlich hohen Flächenverbrauch zur Folge? Welche technischen Möglichkeiten bietet die digitalisierte „Landwirtschaft 5.0“, um den Einsatz von Chemikalien auf ein Mindestmaß zu beschränken?

Um Antworten auf solche Fragen zu erhalten, hatte der Heimatverein Pech Professor Dr. Bernd Böhmer, einen der führenden deutschen Pflanzenschutzexperten, eingeladen. Der in Bonn lebende Referent leitete bis zu seinem Ruhestand 2015 viele Jahre lang den Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer NRW. In zahlreichen Gremien war er daran beteiligt, innovative und praktikable Lösungen für die Landwirtschaft zu entwickeln – mit dem Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und mehr Nachhaltigkeit im Pflanzenschutz zu erreichen. An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen ist Böhmer nach wie vor in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses tätig.

Ein großes Publikum war in die Evangelische Gnadenkirche gekommen. In einem inhaltsreichen, für Nichtfachleute verständlichen und in der Sache hochinteressanten Vortrag sprach Böhmer über die Bedeutung des Pflanzenschutzes für die Zukunft unseres Planeten – sowohl unter dem Aspekt der Welternährung als auch unter Aspekten wie Flächenverbrauch und Artenschutz. Laut einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikomanagement schätzten 63% der deutschen Bevölkerung die Risiken durch Pflanzenschutzmittel höher ein als ihren Nutzen. Gegen solche auf Unkenntnis und Vorurteilen basierenden Ängste helfe, so Böhmer, nur geduldiges, sachliches Argumentieren. Es gelte, zwei Extreme zu vermeiden: einerseits die verklärende Sehnsucht nach einem vormodernen, kleinbäuerlich geprägten „Idyll à la Landlust“, andererseits den Abscheu gegenüber einer der auf Produktivität getrimmten „Agrarindustrie“.

Faszinierend waren Böhmers Ausblicke auf neue Methoden des Pflanzenschutzes, die zu einer wesentlich nachhaltigeren Form der Landwirtschaft – Stichwort „integrierter Pflanzenschutz“ – führen werden. Dazu zählen Verfahren der „Grünen Gentechnik“ wie etwa die Genschere CRISPR-Cas9 sowie der zielgenaue Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Rahmen einer neuen „Präzisionslandwirtschaft“ mit GPS-Steuerung, Robotronic und Künstlicher Intelligenz (KI). Die gentechnische Herstellung krankheitsresistenter Nutzpflanzen ermögliche, so Böhmer, den weitgehenden Verzicht auf den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel.

Die lebhafte einstündige Diskussion, die sich dem Vortrag anschloss, zeigte, dass Böhmer einen Nerv getroffen hatte. Zwei Wachtberger Landwirte – der eine aus dem konventionellen, der andere aus dem ökologischen Sektor – erinnerten die übrigen Anwesenden daran, dass nicht in erster Linie die Landwirtschaft für Flächenverbrauch und verschwenderischen Umgang mit Nahrungsmittel verantwortlich sei. Vielmehr sollten die 98 Prozent der Bevölkerung, die nicht in der Landwirtschaft tätig sind, auch einmal ihre eigene Lebensweise überprüfen. Andere Diskussionsteilnehmer hinterfragten die Rolle von Agrarchemiekonzernen in den Entwicklungsländern. Viele zeigten sich davon beeindruckt, dass die Technologien der „Landwirtschaft 5.0“ es ermöglichen, bisherige Monokulturen durch buntere und damit auch insektenfreundlichere Agrarlandschaften zu ersetzen.

Der starke und lang anhaltende Beifall am Ende zeigte, dass dieser Abend für viele Zuhörinnen und Zuhörer spannende neue Einsichten geboten hatte.